Michelmann will Kinder länger schlafen lassen

Eltern sehen nur ihre Vorteile - Einwände nicht einfach ignorieren

Von Dennis Lotzmann

Aschersleben/MZ. Ascherslebens Oberbürgermeister Andreas Michelmann (Widab) will, dass die Grundschüler in der Stadt künftig besser lernen können als in der Vergangenheit. Damit begründete das Stadtoberhaupt am Mittwoch seine Absicht, die Frühhorte ab Januar nicht mehr um 6 Uhr, sondern erst um 7 Uhr zu öffnen.

"Es geht mir darum, die Kinder nicht so zeitig aus dem Bett zu reißen." Der Kostenfaktor stehe für ihn nicht an erster Stelle, versicherte das Stadtoberhaupt. Michelmanns Ansinnen hatte in den vergangenen Tagen bei vielen Eltern für massive Kritik gesorgt, der Stadtelternbeirat kritisierte Michelmann in einem offenen Brief. Die Eltern fürchten unter anderem Probleme mit den Arbeitgebern, sollten sie ihre Kinder künftig erst nach 7 Uhr in den Hort bringen können.

Michelmann warnte am Mittwoch davor, sich vom "Elternlobbyverein" irritieren zu lassen. "Ich könnte gut damit leben, wenn das Interesse der Kinder im Mittelpunkt stünde." Die Eltern aber würden nur ihre Interessen vertreten, meint der Widab-Politiker. "Die spannende Frage ist, wie viele Eltern ihre Kinder wirklich so früh in den Hort bringen müssen." Nach Erhebungen der Verwaltung werden zwischen 6 Uhr und 6.30 Uhr in den städtischen Frühhorten 24 Knirpse gezählt, danach steigt die Zahl bis 7 Uhr auf 94 Hortkinder.

Während Michelmann einerseits darauf baut, dass die Eltern notfalls individuelle Arbeitszeitverlagerungen mit den Chefs finden können, räumt er andererseits aber auch ein, dass dies in bestimmten Berufen unmöglich ist.

Mit der geplanten generellen Veränderung der Frühhort-Öffnungszeit von 6 auf 7 Uhr würden zumindest diese Eltern jedoch vor kaum lösbare Probleme gestellt werden, verdeutlicht Stadtelternbeirats-Vorsitzender Jens Hüttich. "Letztlich wären ihre Arbeitsplätze in Gefahr." Diese Argumente seien OB Michelmann im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung schriftlich mitgeteilt worden, versichert Hüttich. Eine Kopie des Schreibens liegt der MZ vor.

Das Kinderbetreuungsgesetz sieht eine Beteiligung der Elternkuratorien vor, wenn in Kindereinrichtungen oder Horten Öffnungszeiten geändert werden sollen oder grundsätzliche Entscheidungen anstehen. Dass die in Aschersleben geplante Änderung grundsätzlichen Charakter trägt, meint auch die Sprecherin von Sozialminister Gerry Kley, Christiane Bergmann. Die Anhörung habe zwar keinen bindenden Charakter - "das heißt aber auch nicht, dass man willkürlich darüber hinweg gehen kann", so Bergmann.

Doch warum sucht die Kommune nicht nach anderen Lösungen? Warum stellt Michelmann nicht zunächst die Gebührensätze zur Debatte, bevor er die Frühhorte quasi abschafft? Weil die Gebühren erst kürzlich angehoben worden seien, so das Stadtoberhaupt. Überhaupt verstehe er den ganzen Wirbel nicht - die Stadträte hätten schließlich alle Möglichkeiten gehabt, Änderungswünsche zur städtischen Vorlage einzubringen. Abgesehen von der PDS, die damit jedoch in den Ausschüssen scheiterte, sei dies nicht passiert. Und wenn die Räte im Stadtrat die Weichen in eine andere Richtung stellen - beispielsweise für eine Gebührenanpassung sind? "Wenn das so gewollt ist, kann das der Weg sein", meint Michelmann.

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